Biggi Berchtold
Liebesromane mit Herz

Leseprobe
"Alex is watching you"


Kapitel 5

Nach dem leckeren Essen begebe ich mich ins Bett und genieße den herrlichen Ausblick auf den Central Park, als mein Handy einen Nachrichteneingang signalisiert. Sie ist von Josh.

Hey, Bro! Ich brauch deine Hilfe, oder vielmehr Mia. Ihr Ex ist nun doch nicht so schnell aus ihrer gemeinsamen Bude draußen. Könnte Mia noch zwei Wochen bei uns bleiben? Selbstverständlich gegen Bezahlung.

»Shit!«, sage ich leise vor mich hin. Wenn Josh herausfindet, dass ich seine Schwester gevögelt habe, ist es aus mit unserer Freundschaft. Und so lange sie bei uns wohnt, besteht die Gefahr, dass es herauskommt oder sich am Ende gar wiederholt. Wobei ich mich zurückhalten werde, sofern Mia mich nicht angräbt. Fuck! Aber ich will jetzt auch nicht, dass sie auf der Straße sitzt. Verdammter Codex!

Natürlich kann sie bleiben. Und was sagt ihr Boss dazu?

Soviel ich weiß, arbeitet sie als Redakteurin bei einem kleinen Zeitungsverlag. Sonst weiß ich kaum etwas über sie. Außer, dass sie verdammt scharf ist.

Klasse! Mia wird sich riesig freuen. Sie kann von hier aus arbeiten. Dazu bräuchte sie nur deinen Laptop, wenn du nichts dagegen hast.

Ja, nehmt mir alles …

Sie kann ihn haben. Kein Problem. Mein Passwort lautet: Heißer als Josh

Du Arsch! Rück gefälligst das richtige Passwort raus! :-)

FuckYou!007, tippe ich, was der Wahrheit entspricht.

Zurück kommen Lachsmileys, der Mittelfinger und Hunderte von Herzen. Bei Letzteren verziehe ich angewidert das Gesicht. Ist ja ekelhaft!

*



Am nächsten Tag sitze ich bereits um sechs Uhr morgens frisch geduscht und im anthrazitfarbenen Anzug und weißen Hemd am Schreibtisch, um noch mal die Akten zu Vostrikov zu studieren, ehe es in den Frühstückssaal geht. Ich bin etwas nervös, weil es definitiv ein großer Fall ist und wir es mit einem Verbrecher zu tun haben, der viele Kontakte pflegt, die weit über die Grenzen der USA reichen.
Es ist kurz vor halb acht, als ich gut vorbereitet meinen Aktenkoffer packe. In wenigen Minuten treffe ich Miss Devereux im Speisesaal. Bevor ich mein Zimmer verlasse, binde ich mir noch schnell eine dunkle Krawatte um, passend zum Anzug.
Als ich vom Concierge an den Frühstückstisch geführt werde, sitzt meine überaus attraktive Kollegin bereits am Platz. Sie trägt eine große schwarze Sonnenbrille und hat ihre Lippen zu schmalen Strichen zusammengepresst.
»Guten Morgen«, begrüße ich sie und setze mich ihr gegenüber. »Darf ich fragen, weshalb Sie hier eine Sonnenbrille tragen? Werden wir verfolgt?«, möchte ich belustigt wissen und sehe mich spaßeshalber nach vermeintlichen Beobachtern um.
»Fragen Sie nicht«, antwortet sie leise, führt ihre Espressotasse an die Lippen und nippt daran. Sie klingt, als hätte sie die halbe Nacht durchgemacht, um zu arbeiten.
»Schlecht geschlafen?«, frage ich deshalb.
»Migräne. Ich habe ultimativ schlimme Migräne«, rückt sie mit der Sprache raus.
»Das tut mir sehr leid. Soll ich Ihnen etwas aus der Apotheke besorgen?«
»Nein. Nichts. Und bitte … etwas leiser, wenn es geht«, murmelt sie.
»Sollen wir den Termin im Gefängnis verschieben?«, versuche ich, zu helfen.
»Sind Sie verrückt? Das geht nicht.«
»Und wie wollen Sie die Befragung überstehen? Sie sehen aus, als würden Sie gleich umkippen.« Tatsächlich ist sie kalkweiß.
Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Ich werde nur dasitzen und Sie übernehmen die Befragung. Sie wollten doch, dass ich Sie als ebenbürtigen Kollegen ansehe. Dann zeigen Sie mir, was Sie draufhaben, Mr. Storm.«
Heilfroh, mich so gut vorbereitet zu haben, gebe ich ihr unmissverständlich zu verstehen, dass das für mich kein Problem ist und ordere beim Kellner Kaffee und ein Sandwich.


                                                                    *


Nachdem wir die Sicherheitsschleusen des Gefängnisses passiert haben, befinden wir uns in einem kleinen kahlen Besprechungsraum, wo wir auf Vostrikov warten. Devereux’ Gesichtsfarbe hat sich mittlerweile von weiß auf grünlich verändert. Bevor wir losgefahren sind, musste sie sich noch übergeben, was wohl der Grund für ihren jetzigen Teint ist. Ihre Sonnenbrille hat sie inzwischen abgenommen. Jetzt könnte man glatt denken, sie hätte eben erst Gras geraucht.
»Wie sehe ich aus?«, fragt sie mich allen Ernstes und streicht eine Haarsträhne hinters Ohr. Heute trägt sie einen grauen Hosenanzug und eine weiße Bluse, was sehr schick aussieht, jedoch keinesfalls von ihrem desolaten Zustand ablenkt.
»Wollen Sie tatsächlich die Wahrheit hören? Schließlich will ich Sie nicht beleidigen«, scherze ich.
Sie seufzt. »Okay, mehr muss ich nicht wissen.«
Die Tür geht auf und Andrei Vostrikov betritt in Hand- und Fußschellen und in einem orangefarbenen Einteiler den Raum. Der Schnitt seines silbergrauen Haars sieht aus, als wäre man mit einem Rasenmäher drübergefahren, stoppelig und ungleichmäßig. Tiefe Furchen zeichnen sich im Gesicht ab, ob das Sorgenfalten sind, wage ich zu bezweifeln, denn er sieht absolut stabil und sehr selbstbewusst aus. Die Augen stechend blau und gleichzeitig eiskalt. Er nimmt am Tisch Platz, wir tun es ihm gleich.
Als sein Blick auf Devereux fällt, grinst er feist, wofür ich ihm glatt eine verpassen könnte. Definitiv sind seine Gedanken alles andere als ehrenhaft. Er scannt sie buchstäblich ab, wie ein Vieh, das man an den Höchstbietenden verschachert. Widerlich!
»Mr. Vostrikov, guten Tag. Mein Name ist Melanie Devereux von Barnes & Barnes und das ist mein Kollege Alexander Storm, der die Befragung vornimmt.«
Vostrikov sieht zwischen uns beiden hin und her. »Ihre Kanzlei schickt mir einen Laufburschen? Ihr Ernst?« Seine herablassende Art macht ihn nicht sympathischer, was ich ihm am liebsten an den Kopf geworfen hätte.
»Sie …«, beginnt Devereux zu sagen, doch ich falle ihr ins Wort.
»Sie wollten die besten Anwälte, und hier sind wir!«, antworte ich selbstbewusst und arrogant wie eh und je.
»Ich bezahle Ihnen eine Stange Geld und möchte mich ungern von Ihrer Kanzlei über den Tisch gezogen fühlen«, merkt er an und starrt mir dabei fest in die Augen.
»Wie Sie sicher wissen, genießt unsere Kanzlei einen guten Ruf. Und wenn Sie so über Barnes & Barnes denken, dann haben wir hier nichts mehr verloren. Suchen Sie sich jemand anderen«, biete ich Paroli und schiebe die Aktenmappen zusammen, die ich vorher aufgefächert habe. Bereit, alles im Aktenkoffer zu verstauen und aufzubrechen.
Miss Devereux gibt mir mit ihrem Blick unmissverständlich zu verstehen, dass sie mich gleich umbringt, wenn ich es verbocke. Doch ich bin wütend … scheißwütend, um ehrlich zu sein. Auf diesen Kerl, der einiges auf dem Kerbholz hat.
»Sie gefallen mir, Mr. Storm. Wie lautet also Ihr Plan?«, lenkt er plötzlich ein.
Ich halte in der Bewegung inne und lege die Unterlagen wieder auf den Tisch. »Die Staatsanwaltschaft möchte Sie für zwanzig Jahre hinter Gitter bringen, wir versuchen …«
»Versuchen? Sie wollen es nur versuchen?«, unterbricht er mich und speit das letzte Wort förmlich aus. »Diese Anschuldigungen haben meinen Ruf geschädigt.«
»Würden Sie mich bitte erst einmal ausreden lassen?«, frage ich auf herablassende Art.
Als Vostrikov nickt, fahre ich fort: »Wir werden Sie morgen auf Kaution herausbekommen. Das ist ein Kinderspiel. Und dann versuchen wir, die Staatsanwaltschaft auf maximal zwei Jahre auf Bewährung herunterzuhandeln. Wenn das alles durch ist, werden Sie uns jeden Abend, wenn Sie ins Bettchen krabbeln, dafür danken, dass wir sie da rausgeholt haben.«
»Was muss ich tun?«, möchte er nun milder gestimmt wissen.
»Uns vertrauen und uns die Wahrheit sagen, und nichts als die Wahrheit, denn die gegnerische Partei hat genug gegen Sie in der Hand. Es wird kein leichtes Unterfangen, die Geschworenen von Ihrer Unschuld zu überzeugen.«
»Dann erledigen Sie Ihren Job!«


                                                                 *


Kaum haben wir das Gefängnis verlassen, setzt Miss Devereux wieder ihre Sonnenbrille auf, obwohl der Himmel eher grau und düster ist, und beginnt zu wettern. »Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, so mit Vostrikov umzugehen? Hätte er uns gefeuert, säßen Sie auf der Straße und mein Bonus für dieses Jahr wäre gestrichen.«
»Glauben Sie mir, ich hatte alles im Griff. Mit solchen Typen muss man etwas härter umgehen, sonst nehmen sie einen nicht für voll. Außerdem lügt er in einer Tour.«
»Das ist mir egal! Der Fall muss gewonnen werden. Und das Wie spielt dabei keine Rolle!«
Natürlich hätte ich mich beherrschen müssen, aber dieser Arsch hat mich mit seinem erhabenen Getue so in Rage gebracht, dass ich mich einfach vergessen habe. Oder lag es auch an dem lüsternen Blick, den er Miss Devereux zugeworfen hat?, schiebt sich eine Frage plötzlich in meine Gedanken.
»Geben Sie wenigstens zu, dass ich die Befragung professionell gemeistert habe. Eigentlich können Sie sich bei mir bedanken.«
»Wie bedanken? Indem ich meine Faust in Ihrem Gesicht platziere?«, faucht sie, woraufhin ich meine Mundwinkel amüsiert anhebe. Definitiv lässt sie sich nichts gefallen, was mir ein wenig imponiert.
»Ach, kommen Sie schon. In Ihrem Zustand ist es nicht förderlich, so giftig zu sein. Geht es Ihnen wenigstens schon besser?«, versuche ich, sie abzulenken.
»Etwas. Die Tabletten wirken schon ein bisschen.«
Meine Taktik scheint aufzugehen. Zumindest wirkt sie nicht mehr so wütend auf mich, und dann fällt mir etwas ein …
»Miss Devereux, Sie haben noch nichts gefrühstückt. Womöglich macht Sie der Hunger etwas reizbar. Ich lade Sie daher als Wiedergutmachung zum Essen ein. Na, was halten Sie von der Idee?«
»Oh … gut! Dann hätte ich gerne Wasser, Salat und einmal lecken Sie mich am Arsch!«, zischt sie, stöckelt wutentbrannt zum Wagen und steigt hinten ein.
Ihre Schlagfertigkeit belustigt mich. Grinsend folge ich ihr und setze mich neben sie.
»Ins Hotel, bitte«, sagt sie dem Fahrer und lehnt sich dann zurück.
Eine unangenehme Stille umhüllt uns. Ich kann lediglich Devereux’ schnelle Atemzüge hören. Sie ist aufgebracht, und ich bin womöglich ein Idiot.
»Wann wollen Sie die Kautionssache mit mir durchgehen?«, frage ich nach einer Weile.
Sie stößt laut ihren Atem aus. »Sobald wir im Hotel sind, werde ich mich für zwei Stunden hinlegen. Womöglich geht es mir dann etwas besser. Arbeiten Sie schon mal vor. Für morgen werde ich fit sein müssen, um die Verhandlung führen zu können.«
»Das könnte ich für Sie übernehmen, wenn …«
»Wirklich nicht«, schneidet sie mir mit ernster Miene das Wort ab und sieht aus dem Fenster.
Storm, du hast eindeutig bei ihr verschissen!, verhöhnt mich mein Unterbewusstsein rigoros.
»Okay, vielleicht bin ich etwas zu weit gegangen. Tut mir leid. Es kommt nicht wieder vor«, ringe ich mir eine Entschuldigung ab, obwohl ich mir für die gute Arbeit auf die Schulter klopfen müsste.
Der Wagen hält.
»Angenommen!«, murmelt sie und steigt aus, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Ich laufe ihr mal wieder hinterher, wie ein Hündchen. Wau, wau …
Als sie den Aufzug betritt und ich selbiges vorhabe, drückt sie eilig auf den Knopf, sodass die Türen vor meiner Nase zugleiten, ehe ich noch einsteigen kann.
»Hey!«, rufe ich.
»Besetzt!«, presst sie hervor.
Vielleicht hat sie zu ihrer Migräne noch Hormone, denke ich mir kopfschüttelnd und betätige den Rufknopf, als sich jemand neben mich gesellt, den ich nur als Schatten wahrnehme.
»Na, Ärger mit der Damenwelt?«, höre ich eine raue Stimme sagen.
Als ich meinen Kopf zur Seite drehe, steht eine ältere Dame grinsend vor mir, in beigefarbenem Kostüm und passendem Handtäschchen, das an ihrem Handgelenk baumelt. Ein wenig erinnert sie mich an Queen Elisabeth von England.
»Sie beruhigt sich wieder. Das tun wir Frauen doch immer«, merkt sie augenzwinkernd an, was mich schmunzeln lässt.
»Ich weiß nicht so recht. Eben sah es nicht danach aus.«
»Auf so einen charmanten jungen Mann, wie Sie es sind, kann man doch nicht lange böse sein.«
»Vielleicht legen Sie ein gutes Wort für mich ein, sollte sie Ihnen über den Weg laufen, hm? Dann haben Sie ein Date mit mir gut«, sage ich lächelnd.
Kichernd steigt sie in den Fahrstuhl, der sich mit einem Pling angekündigt hat. Zwei weitere Gäste, die gerade dazugestoßen sind, und ich folgen ihr.


                                                                   *


Es ist bereits abends und meine Kollegin hat sich in unserem Besprechungszimmer bisher nicht blicken lassen, was ich etwas eigenartig finde. Nicht zu erscheinen und sich auch nicht abzumelden, sieht ihr keinesfalls ähnlich. Mein Boss ist durch und durch eine Perfektionistin. Während ich ernsthaft darüber nachdenke, nach dem Rechten zu sehen, tippe ich ungeduldig mit dem Bleistift auf dem Tisch herum.
Wenn ich mich nicht nach ihr erkundige, wirft sie mir womöglich Egoismus vor, und wenn doch, dann gönne ich ihr die Ruhe nicht. Letztendlich kann ich es ihr ohnehin nicht recht machen, und so tue ich das, was mir als Erstes in den Sinn kommt: Ich klopfe bei ihr an.
»Miss Devereux, alles okay bei Ihnen?«, frage ich mit gesenkter Stimme. Schließlich will ich mir nicht auch noch einen Rüffler einfangen, dass ich zu laut gewesen wäre und ihre Kopfschmerzen sich dadurch verschlimmert hätten.
Als ich nach wenigen Augenblicken nichts höre, klopfe ich erneut an die Tür. Nur dieses Mal energischer.
»Miss Devereux, sind Sie da?« Während ich auf eine Reaktion warte, ist es totenstill im Korridor. Vielleicht ist sie schon im Restaurant? Ich werde beim Concierge anrufen und nach ihr fragen.
Gerade, als ich gehen will, höre ich aus ihrem Zimmer etwas auf den Boden knallen. Ein Glas womöglich. Nun mache ich mir doch ein wenig Sorgen. »Melanie, öffnen Sie doch bitte!« Es ist das erste Mal, dass ich sie mit ihrem Vornamen anspreche.
Dann erst höre ich leise Schritte. Die Tür öffnet sich und meine Kollegin steht mit hochrotem Kopf, glasigen Augen, zerwuseltem Haar und in einem schwarzen Seiden-Pyjama vor mir.
»Himmel noch mal, wie schauen Sie denn aus?«, kommt es mir – ohne zu überlegen – über die Lippen.
»Ich sehe so aus, wie ich mich fühle: beschissen!« Sie öffnet die Tür weiter, um mich eintreten zu lassen, kehrt mir dann den Rücken zu und schlurft zum Bett, in das sie umgehend krabbelt. Dann zieht sie sich ihre Decke bis unter die Nase und starrt mich an, als könnte sie nicht bis drei zählen.
»Sie sehen wirklich mies aus, Melanie. Soll ich Ihnen nicht doch etwas aus der Apotheke holen? Mir scheint, Ihr Medikament wirkt nicht«, mutmaße ich.
»Es hilft womöglich deshalb nicht, weil ich wohl etwas ausbrüte.«
»Tut mir leid. Vielleicht wäre es besser, einen Arzt zu rufen.«
»Bitte nicht. Es wird schon wieder«, murmelt sie und schließt die Augen.
»Ich bestehe darauf, dass der Hotelarzt Sie untersucht.« Eilig begebe ich mich zum Telefon, das auf dem Nachttisch steht, und wähle die Nummer der Rezeption.
»Rezeption, Sie sprechen mit Trisha Singh. Was kann ich für Sie tun?«

 

 


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